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1. August-Rede 2018

2. August 2018
Am vergangenen Mittwoch wurden in der Stadt Zug die Feierlichkeiten zum Geburtstag der Schweiz begangen. Ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm gab diesem schönen Anlass einen würdigen Rahmen. Die diesjährige Festrede hielt Rémy Frick, Texter und Schauspieler aus Zug.

Hier finden Sie die Festansprache von Rémy Frick:

 

Hochgeschätzte Damen

Vielgeehrte Herren

 

Lassen Sie mich schon im ersten Hauptsatz um Nachsicht ersuchen. Ich beginne ungewöhnlich, ja vielleicht sogar ketzerisch – streng helvetisch gesehen !

Nämlich mit Arnold von Winkelried – einer mythischen Figur, die es so 1386 bei der Schlacht von Sempach nicht gegeben hat. Nichtsdestotrotz eine legendäre Figur der Schweizer Geschichte. Er soll in ebendieser Schlacht bei Sempach ein Bündel Lanzen der gegnerischen Habsburger erfasst und – sich selber aufspiessend – den Eidgenossen die entscheidende Bresche in die feindlichen Truppen gerissen haben. Soweit die Legende, die wohlbehütete und gepflegte. Gegen diese Legenden ist auch absolut nichts einzuwenden. Kürzlich hat ein Karikaturist in einer Tageszeitung just dieses heroische Bild hergenommen und dem Helden folgende Worte in den Mund gelegt: «Welle Tubel schüpft da immer vo hinnä ?»

Ich möchte heute, am Geburtstag unseres Landes, auch eine Lanze brechen. Und zwar eine für den Humor. Es scheint mir, als sei uns diese Fähigkeit im Verlaufe der letzten zwanzig, dreissig Jahre ziemlich abhanden gekommen. Wir nehmen uns selber zu ernst ! Dies verleiht uns eine gewisse Verkrampftheit – ein Bild, welches wir eigentlich gar nicht verdienen. Denn die Schweiz, ist voller Humor. Vielfach findet er in den eigenen vier Wänden statt, versteckt sich sozusagen vor der Öffentlichkeit. Humor ist in der Öffentlichkeit schon fast peinlich – ausser auf entsprechenden, genau dafür vorgesehenen Theaterbühnen – sozusagen Humor im Zoo. Ich finde dies höchst bedauerlich – denn der freilebende Humor sollte wieder Bestandteil des Alltages, der Tenor im Fühlen und Handeln zwischen den Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes werden.

Humor – ein vielgebrauchtes Wort mit vielen Erscheinungsformen.

Der Duden, das Standardwerk der deutschen Sprache, schreibt als Definition von ‚Humor‘ ebenso einfach wie umfassend:

«Fähigkeit und Bereitschaft, auf bestimmte Dinge heiter und gelassen zu reagieren» (Duden)

Es geht dabei nicht darum, irgendwen oder irgendwas ins Lächerliche zu ziehen. Das hat mit Humor an sich nicht viel zu tun. Der Humor, der wirkliche Humor - nimmt zwar nicht immer Rücksicht auf sein Ziel und zieht die Samthandschuhe auch schon mal aus - er ist aber niemals darauf ausgelegt, einen Einzelnen oder ein Kollektiv zu verunglimpfen, zu beleidigen oder zerstörerisch zu sabotieren.

Auch wenn wir in der heutigen Zeit zum Beispiel Politik und Wirtschaft als sehr ernste Dinge betrachten und Humor in diesen Bereichen schon fast argwöhnisch als deplatziert brandmarken gab es schon früher - sehr viel früher - grosse politische Führungspersönlichkeiten mit Humor. Es machte sie keinesfalls weniger effektiv.

480 v Christus bei den Thermophylen auf dem griechischen Festland. Die Sonne brannte, klimatisch wohl durchaus mit den vergangenen Tagen und Wochen hierzulande vergleichbar. Die Schlacht stand kurz bevor, war nicht mehr zu verhindern. König Xerxes I. von Persien liess dem gegnerischen Feldherrn pathetisch drohend verkünden:

«Ich habe so viele Bogenschützen, dass ihre Pfeile die Sonne verdunkeln werden !»

König Leonidas von Sparta liess der Überlieferung nach antworten:

«Umso besser – dann kämpfen wir im Schatten!»

In Klammern sei beigefügt, dass König Leonidas in nämlicher Schlacht nicht nur dieselbe sondern auch sein Leben verlor – aber mit seinem Humor nach 2500 Jahren noch zitiert wird…

Es gibt bedauerlicherweise nur vereinzelt Pendants in der aktuellen Schweiz. Sie blitzen jeweils auf wie Diamanten in einer grossen Menge von Kieselsteinen. Wer erinnert sich nicht mit einem Lächeln auf dem Antlitz an den letzten Parlamentsauftritt von Bundesrat Merz zum Thema „Bü-Bü-Bündnerfleisch“ ?

Anfangs Juni dieses Jahres flog Bundesrat Johann Schneider-Ammann von Bern auf den Brünig. Der Magistrat hatte hier ein Referat zu halten und sein dicht gedrängter Zeitplan machte den Einsatz des Hubschraubers unerlässlich. Der bundesrätliche Helikopter landete auf einer Wiese just neben dem Veranstaltungsort auf dem Brünig. Zwei Stunden später sollte die Flugmaschine den Bundesrat wieder aufnehmen und zurück nach Bern fliegen. Doch jener Bauer, dem die Wiese gehörte, verweigerte kurzerhand dem Hubschrauber der Armee die abermalige Landung auf seiner Wiese. Es käme nicht in Frage ! Ja dann müsste er ja die jetzt dort grasenden Kühe zusammen- und von der Wiese treiben – und genau das käme eben nicht in Frage. Der Bundesrat reagierte mit Humor, wies seine Entourage an, halt einen anderen Landeplatz in der Nähe zu suchen. Man fand schliesslich eine andere Wiese – ohne Kühe. Den Weg vom bundesrätlichen Einsatzort bis zum neuen Landeplatz liess man den Bundesrat mit einem eilends herbeigerufenen Taxi zurücklegen. Der nicht wenig überraschte Taxichauffeur fuhr den Magistraten an die besagte, neue, Landewiese – und verabschiedete den hohen Fahrgast dortselbst etwas unbeholfen mit den Worten «Auso de, heit no ne guätä Flug, Herr Blocher !»

Schneider-Ammann lachte auf, korrigierte nichts, stieg in die Flugmaschine und entschwand in Richtung Bundeshauptstadt. Durch seinen Humor bewies der Magistrat Gelassenheit im richtigen Moment, am richtigen Orte. Das ist eben auch Schweiz. Und in diese Richtung, so wünsche ich mir, sollten wir wieder gemeinsam gehen.

Humor im Alltag macht die Probleme des Einzelnen, der Gemeinde, des Kantons, des Landes, ja der Weltgemeinschaft nicht kleiner. Er löst sie auch nicht – da müssen wir schon selbst anpacken, selbst im Rahmen unserer Möglichkeiten nach Lösungen und gangbaren Wegen suchen.

Aber Humor macht es möglich, aus einer gewissen Distanz zum Problem zu räsonieren und zu plädieren. Die Gelassenheit, welche immer Hand in Hand mit dem Humor einhergeht, macht Vieles erträglicher, übersichtlicher – und damit lösbar.

Allerhöchste Kunst auf diesem Gebiet ein ganz besonderer Humor, nämlich die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Menschen, die über diese Fähigkeit verfügen, kann man nicht aus der Ruhe bringen. Sie haben eine Stabilität, die ihresgleichen sucht. Sie werden damit zu Leuchttürmen für all jene, die durch die Riffs des Lebens und die Untiefen menschlichen Tuns zu navigieren trachten. Die Fähigkeit, über sich selber zu lachen, bedingt in hohem Masse, dass man sich der eigenen Unzulänglichkeiten bewusst ist und sich derer nicht schämt.

Menschsein pur – sozusagen.

Auch Friedrich Dürrenmatt, Literaturikone des heute feiernden Landes, formulierte dazu seine Gedanken. Seine sporadisch auftretende Lebensverzweiflung spiegelt sich durchaus auch im Werk des Dichters. Dagegen, so bezeugen es seine Kinder, setzte er ganz gezielt den Humor ein. Humor, so Dürrenmatt, sei die einzige Möglichkeit, Distanz zu einer Welt aufzubauen, die er schwer erträglich fand und oft auch schwer ertrug. Aber wenn man die Wahl zwischen zwei Todesarten habe, so Dürrenmatt, solle man sich nicht zu Tode ärgern, sondern sich lieber zu Tode lachen.

Geschätzte Anwesende

Ich komme wieder auf den Eintrag im Duden zurück. Wir erinnern uns: da steht «Fähigkeit und Bereitschaft, auf bestimmte Dinge heiter und gelassen zu reagieren». Die Bereitschaft. An der Fähigkeit zum Humor mangelt es nur den allerwenigsten. Aber bei der Bereitschaft gibt’s in diesem unserem Lande zweifellos Luft nach oben. Lassen Sie uns gemeinsam diese erfrischenden Gefilde ausloten. Üben können Sie das öfter, als Sie es wahrhaben wollen. Die Steuerrechnung, zum Beispiel: – eher selten ein Grund für Humor. Nun malen Sie sich vor ihrem geistigen Auge – oder für ganz Mutige: sogar auf einem Blatt Papier - möglichst realistisch aus, welche Farbe jene Rutschbahn hat, die Sie mit ihren pekuniären Staatsentrichtungen mitfinanzieren. Und schon zaubert ihnen selbst der Gedanke an Ihre Steuerrechnung unaufhaltsam ein Lächeln ins Gesicht.

Beim Lachen werden übrigens 130 Muskeln aktiviert – gesund ist es also auch noch. Allerdings gibt es da einen Wermutstropfen: Abnehmen kann man damit nicht – leider bin ich dafür der lebende Beweis !

Liebe Freunde – nehmen wir als denkende und fühlende Menschen aber auch als Kollektiv, als Stadt, als Kanton, als Eidgenossenschaft – die zweifelsohne zur Genüge vorhandenen Probleme vermehrt mit Humor. Holen wir uns diese urmenschliche Betrachtungsweise lebensgebildeter Menschen wieder zurück – und so Manches wird nicht nur erträglicher werden, sondern es schlummern in jenen Lachern durchaus valable Lösungen.

Enden möchte ich mit Albert Einstein, einem grossen Forscher und Denker, der seine atemberaubende Laufbahn bekanntlich in der Schweiz begann. Er, der die Auswirkungen der Atombombe bis ins kleinste Detail ganz bewusst erkannte und darob durchaus sehr entsetzt war, verlor Zeit seines Lebens trotzdem nie seinen Humor. Sein folgender Satz sollte uns leiten:

«Nimm’ alle Dinge wichtig, aber keines richtig ernst.»

Liebe Mitstreiter im und für den Humor – ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Nationalfeiertag!

 

Rémy Frick

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